Mehr zur Kindermonstranz
Die auffallend knallige und gar nicht klassische Farbigkeit (siehe Detail des Originalentwurfs als Aquarell) war von Schwerdt bewusst gewählt worden: die Monstranz ging an die Kapelle eines Kinderheims (Caritas-Kinderheim Maria i.d. Drucht, Duisburg). Der Auftraggeber genehmigte den Entwurf ohne Zögern und war nach Auskunft von Zeitzeugen stolz auf die Monstranz.
Obwohl die Monstranz für ihre Zeit einen radikal neuen Typus darstellte und in Form und Farbe kein Vorbild hatte, gibt es bemerkenswerterweise nur eine ausführliche kunsthistorische Besprechung von 1955. Darin schrieb der Aachener Kunstinterpret Goerres, noch vor Fertigstellung der Arbeit:
Einen Anhalt für die Kühnheit dieser Form mag der Hinweis geben, dass sie für ein Kinderdorf in Deutschland bestimmt ist. (…) Stark rotes und blaues Emaille bilden den Grund. (…) Im Grundgefüge schwingt Frühe der Antike mit. Das Neuerlebnis der Primitive scheint mitverwebt, durchgedacht. Etwas Ursprüngliches, Elementares, fern aller Reflexion, etwas wie Neubeginn, vielleicht auch Uranfängliches springt uns entgegen.
Die Monstranz wurde mehrfach ausgestellt, allerdings nur einmal als Original, sonst als Fotografie. Der hier gezeigte Schnappschuss zeigt sie in einer Vitrine der Kölner Ausstellung die neue kirche, 1956. (Links und rechts noch zwei Schwerdt’sche Kelche.) Erwähnenswert: auf dieser Ausstellung wurde ebenfalls die Baummonstranz von Schwerdt im Original ausgestellt, und damit einmalig beide Schwerdt’sche Monstranzen nach dem Lebensbaummodell.
Die Monstranz verschwand im Zuge der Heimauflösung Mitte der 1980er Jahre spurlos und gilt seitdem als verschollen. Das mit 53cm Höhe recht große Objekt konnte trotz intensiver Suchanstrengungen – neben kirchlicher Seite auch durch die Besitzerin, die Caritas Duisburg – nicht aufgespürt werden. Im Jahre 2010 veröffentlichte das Essener Bistumsblatt eigens einen bebilderten Aufruf, in dem um Hinweise zu ihrem Verbleib gebeten wurde. Auch konnten Zeitzeugen befragt werden, die sowohl den damaligen Pfarrer persönlich sowie die Monstranz aus eigener Anschauung kannten. Die Suche ist bislang (Stand 2020) ohne Erfolg.
Literatur (Auswahl):
GOERRES 1955B, WALLRAF 1956C, LEUVENS UNIVERSITAIR KUNSTCENTRUM 1958, DENNHÖFER 1958, RAPP 1959, MINKENBERG 2010, DOMKAPITEL AACHEN 2010
zum Literaturverzeichnis
Im Jahre 1957 fertigte Schwerdt für die von Rudolf Schwarz erbaute Heilig-Kreuz-Kirche in Bottrop eine variierte Zweitausführung der Kindermonstranz an. Diese „Weiße Monstranz“ ist in ihrer Form und ihren Maßen (in cm: HxB 53×43) zu ihrem Vorbild von 1955 identisch.
Hauptmerkmal der veränderten Gestaltung ist die Verwendung von transluzidem, also durchscheinendem Email. Das Silber der Monstranz scheint so hell durch und gibt der Monstranz die glanzvoll-helle, fast perlmuttartige Anmutung. Ganz ohne Gestaltung kommt die Rückseite aus.
Fotos: Fritz Schwerdt, Hugo Schnell/Schnell&Steiner, unbekannter Fotograf